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Durchschaut! Vom vernetzten Auto zum gläsernen Fahrer

Wenn im September in Frankfurt die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) beginnt, wird sich alles um das „vernetzte Auto“ drehen. Der ständige Zugang zum Internet wird in Zukunft nicht mehr nur das Merkmal weniger Oberklassewagen sein: Von Frühjahr 2018 an muss jeder in der EU zugelassene Neuwagen eine eingebaute SIM-Karte haben, um das Notrufsystem eCall zu ermöglichen.

Einzelne Autohersteller rüsten schon heute all ihre Fahrzeuge – ob kleiner Dreitürer oder großer Kombi – mit der dafür notwendigen Technik aus. Die Möglichkeiten gehen dabei weit über das Notrufsystem hinaus: Während eCall keine permanente Verbindung mit dem Mobilfunknetz benötigt, sondern sich die SIM-Karte erst im Notfall ins Netz einloggt, wollen die Autohersteller den mobilen Internetzugang nutzen, um mit Onlinediensten Geld zu verdienen. Dann wird die Regenintensität über den eingebauten Regensensor für die Scheibenwischer an meteorologische Dienste geschickt, die Fahrgeschwindigkeit auf der Autobahn automatisch zur Stauprognose weitergeleitet, und die Bordunterhaltung informiert über die aktuellsten Mails und Nachrichten aus den Sozialen Netzwerken. Im besten Fall führt all das sogar zu einer verbesserten Verkehrslenkung mit weniger Staus und mehr Nachhaltigkeit durch geringeren Energieverbrauch.

Allerdings hinterlässt jeder, der diese Dienste nutzt, Datenspuren. Wenn nun die Bundesregierung wieder die Vorratsdatenspeicherung einführt, dann wird aus dem vernetzten Autofahrer ein gläserner Autofahrer.

Gerade deshalb gehören die Angebote so ausgestaltet, dass die informationelle Selbstbestimmung der Fahrer gewährleistet ist. „Vertrauen ist die neue Währung im Internet“ – dieser Satz ist mehr als nur eine Floskel, wie die Erfahrung aus beinahe allen IT-Großprojekten der Vergangenheit zeigt. Sie floppten, wenn das Vertrauen in Datenschutz und Datensicherheit fehlte. Das wurde in den vergangenen zwei Jahren nicht zuletzt durch eine Bundesregierung verspielt, die bis heute keinerlei Interesse daran zeigt, die Enthüllungen von Edward Snowden aufzuklären.

Wenn es ums Autofahren geht, verstehen die Deutschen keinen Spaß. Bei der Einführung der Lkw-Maut wurde vor einem Jahrzehnt gesetzlich festgeschrieben, dass die Mautdaten nicht zu Strafverfolgungszwecken verwendet werden dürfen. Trotz intensivster Versuche, diese Regel aufzuweichen, gilt dieser Grundsatz auch heute noch. Doch die Begehrlichkeiten sind geblieben.

Bei der Einführung der Pkw-Maut erklärte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt immer wieder: „Ich garantiere, eine Weitergabe der Daten an andere Behörden findet nicht statt.“ Das bedeutet, Mautdaten sind tabu für Polizei und Geheimdienste. Aus gutem Grund, denn sonst wären leicht aussagekräftige Bewegungsprofile erstellbar, die tief in die Grundrechte eingreifen

Mit den aktuellen Plänen der Bundesregierung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ist die Diskussion um den Schutz der Daten von Autofahrern allerdings Makulatur geworden. Kommt die Vorratsdatenspeicherung wie angekündigt, geht es nicht mehr um das Foto, das alle 20 Kilometer von der Mautbrücke aus gemacht wird. Dann geht es um das vernetzte Auto mit direktem eingebautem Internetzugang, das permanent online ist. Es wird dutzendfach in der Stunde kleinste Datenpakete senden und empfangen, um die anfangs beschriebenen Dienste zu ermöglichen. Jedes dieser Pakete führt zu einem neuen Satz von Vorratsdaten, der dann für vier Wochen anlasslos gespeichert wird. Auf die Minute und auf bis zu 50 Meter genau wird festgehalten werden, wo sich ein Auto befindet. Für einen Wagen entstehen so Tausende Standortdaten, auf die staatliche Behörden wie die Polizei oder Geheimdienste dann zugreifen dürfen. Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, werden Autofahrer mit der Vorratsdatenspeicherung genauer und umfassender überwacht, als es bei der Maut je der Fall hätte sein können.

Wer sich ein Auto kauft, wird künftig also abwägen müssen, ob er das vernetzte Modell mit aktivierter Ortungswanze ab Werk bestellt oder auf die neuen Möglichkeiten der Technik verzichtet, um keine Datenspuren zu hinterlassen.

Der Verzicht auf Fortschritt aber kann und darf nicht die Lösung sein. Deshalb müssen wir den digitalen Wandel jetzt durch vertrauensbildende Maßnahmen in die neue Technik gestalten. Dazu gehört beispielsweise, die Blackbox-Systeme weiterzuentwickeln, um es so zu ermöglichen, sowohl neue Dienste zu nutzen als auch die eigene digitale Souveränität beim Einsteigen ins Auto wahren zu können.

Die Vorratsdatenspeicherung arbeitet gegen diese Souveränität an. Der Nutzer eines Navigationssystems muss explizit zustimmen, ob die Daten zur Stauforschung verwendet werden dürfen. Bei der Vorratsdatenspeicherung wird er nicht nach seiner Zustimmung gefragt. Die Vorratsdatenspeicherung lässt sich weder abschalten noch kontrollieren. Sie ist ständig im On-Modus, erfasst und sammelt, anlasslos, massenhaft.

Autofahrerinnen und Autofahrer, die permanent überwacht werden und fürchten müssen, dass ihre Daten in falsche Hände geraten, werden kaum Vertrauen in intelligente und vernetzte Mobilität entwickeln. Automobilfirmen und Verkehrsclubs wie der ADAC sollten sich daher schon aus Eigeninteresse gegen die geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung stellen. Ansonsten ist der gläserne Autofahrer bald Realität.

Dieser Text erschien als Gastbeitrag in der Wochenzeitung Die Zeit Ausgabe 19/2015 am 7. Mai 2015

Antrag: Nein zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung

Am 25. April findet in Berlin der Grüne Länderrat statt. Der Länderrat ist das zweithöchste Organ der Grünen auf Bundesebene. Gemeinsam mit Katrin Göring-Eckardt, Konstantin von Notz und Jan Philipp Albrecht habe ich einen Eilantrag gegen die Pläne der Bundesregierung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung verfasst. Der Antrag findet breite Unterstützung in der gesamten Partei. Der neue Hamburger Justizsenator Till Steffen, Landes- und Fraktionsvorsitzende, die Vizepräsidentin des Bundestages Claudia Roth als auch weitere Fachleute aus Bund, Ländern und BAG unterstützen den Antrag.


Antragstext:

 

Nein zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung

Wir GRÜNE erteilen der geplanten Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung durch die schwarz-rote Bundesregierung eine klare Absage.
Die vorgestellten Leitlinien von Bundesjustizminister Heiko Maas, die in Verhandlungen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière einvernehmlich entstanden sind, sind der durchsichtige und von Vornherein zum Scheitern verurteilte Versuch die anlasslose Massenüberwachung per Vorratsdatenspeicherung äußerlich umzuetikettieren. Auch die nun vorgelegten Leitlinien stellen einen unverhältnismäßigen Eingriff in unsere Grundrechte dar und führen die bürgerrechtsfeindliche Politik der Großen Koalition fort. Das Grundproblem der anlasslosen Speicherung der Kommunikationsverkehrsdaten großer Teile der digitalen Kommunikation aller Bürgerinnen und Bürger, bleibt bestehen. Durch das Festhalten an einem Instrument aus der Mottenkiste der Sicherheitspolitik, dessen Nutzen für die Strafverfolgungsbehörden bis heute empirisch nicht nachgewiesen werden konnte, ebnet die Bundesregierung weiter den Weg in den Präventivstaat, der seine Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellt. Die Einführung dieser schwarz-roten Vorratsdatenspeicherung wäre ein rechtsstaatlicher Dammbruch, denn sie widerspricht dem Grundsatz der Unschuldsvermutung.

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs werden völlig unzureichend berücksichtigt. So mag zwar sowohl die marginale Reduzierung der Speicherdauer als auch die Differenzierung zwischen verschiedenen Datenarten einzelne Aspekte der beiden Urteile aufgreifen, gleichzeitig bleiben grundlegende Bedenken der Grundrechtskompatibilität der Vorschläge bestehen, beispielsweise sowohl bezüglich des effektiven Schutzes von BerufsgeheimnisträgerInnen als auch hinsichtlich der Anlasslosigkeit. Das geplante Verwertungsverbot für Daten von BerufsgeheimnisträgerInnen verfehlt sein Ziel. Denn die Verunsicherung in den Verhältnissen zwischen den GeheimnisträgerInnen und ihren MandantInnen, PatientInnen und KlientInnen tritt bereits ein, wenn die Daten gespeichert und erstmalig ausgewertet werden und damit der potentiellen Kenntnisnahme durch Dritte offenstehen. Dass Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium dieses Problem über längst bestehende gerichtliche Beweisverwertungsverbote gelöst sehen wollen, ist billige Augenwischerei und eine Unverschämtheit gegenüber den höchsten Gerichten.

Auch verstößt der Vorschlag der Bundesregierung gegen das vor einem Jahr ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung, nach der eine komplett anlasslose Speicherung von persönlichen Daten grundsätzlich nicht mit dem EU-Grundrecht auf Datenschutz vereinbar ist. Danach muss es zumindest irgendeinen Bezug zwischen den durch die Speicherungspflicht gesammelten Daten und konkreten Verdachts- oder Risikomomenten für Straftaten geben. Diese Anforderung wird angesichts der unterschiedslos vorgeschriebenen Speicherung ebenfalls nicht eingehalten.

Auch die Ausführungen zur Datensicherheit sind unzureichend. Keinesfalls genügt es, allein darauf zu verweisen, dass die Daten in Deutschland verarbeitet werden.
Die entstehenden Datenberge mit Milliarden sensibler Kommunikationsverkehrs- und Bewegungsdaten werden ein hochattraktives Ziel für illegale Abgriffe und Nutzungen, sei es durch ausländische Nachrichtendienste, organisierte Kriminalität oder den Missbrauch in Unternehmen.

Wir GRÜNE erklären unseren Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung und werden auch weiterhin auf allen Ebenen und mit allen demokratischen Mitteln dafür kämpfen, diesen massiven Eingriff in unsere Grundrechte zu verhindern. Gemeinsam mit einer aktiven Zivilgesellschaft werden wir auf die Straße gehen und auch einen erneuten Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe intensiv prüfen, sobald ein Gesetz vorliegt. Wir haben schon einmal erfolgreich gegen die Vorratsdatenspeicherung einer großen Koalition geklagt und sind zuversichtlich bei den Erfolgsaussichten einer erneuten Klage, sollte das Gesetz so kommen, wie es jetzt angekündigt ist.

Dass die beiden zuständigen Minister angekündigt haben, dass an dem gefundenen Kompromiss im Deutschen Bundestag keinerlei Änderungen vorgenommen werden dürften, ist ein Affront gegenüber dem Parlament als Gesetzgeber und dokumentiert das fortschreitende, hochproblematische Bedürfnis nach großkoalitionären Hegemonie.

Statt die notwendigen bürgerrechtlichen Konsequenzen aus den Enthüllungen der vergangenen zwei Jahre zu ziehen, setzt die Bundesregierung weiterhin auf anlasslose Massenüberwachung und höhlt Grundrechte aus.

Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Pläne zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung umgehend zu beerdigen und stattdessen endlich an rechtstaatskonformen, effektiven und grundrechtsschonenden Instrumenten der Strafverfolgung und Prävention sowie einer personell und technisch gut ausgestatteten Polizei zu arbeiten. Seit Jahren fordern wir GRÜNE die Einführung einer anlassbezogenen Speicherung im konkreten Verdachtsfall im Wege des so genannten „Quick-Freeze-Ansatzes“, der eine tatsächlich effektive Kriminalitätsbekämpfung ermöglicht, ohne den Rechtsstaat konstituierende Grund- und Freiheitsrechte preiszugeben.

Anlasslose Massendatenspeicherungen sind ein Irrweg, sicherheitspolitisch wie rechtsstaatlich. Stoppt die Vorratsdatenspeicherung und lasst uns unsere Grundrechte stärken!

 

Begründung der Eilbedürftigkeit:

Die Leitlinien der Bundesregierung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wurden erst wenige Stunden vor Antragsschluss vorgelegt.

 

AntragstellerInnen/ UnterstützerInnen:

Malte Spitz, KV Münster
Katrin Göring-Eckardt, KV Gotha
Konstantin von Notz, KV Lauenburg
Jan Philipp Albrecht, KV Wolfenbüttel
Sven Lehmann, KV Köln
Marion Gehrke, KV Harburg-Land
Daniel Köbler, KV Mainz
Alexander Salomon, KV Karlsruhe
Pia Schellhammer, KV Mainz-Bingen
Britta Haßelmann, KV Bielefeld
Benedikt Lux, KV Steglitz-Zehlendorf
Irene Mihalic, KV Gelsenkirchen
Gesine Agena, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Claudia Roth,KV Augsburg
Mona Neubaur, KV Düsseldorf
Michael Kellner, KV Pankow
Till Steffen, KV Hamburg-Eimsbüttel
Toni Hofreiter, KV München-Land

Karlsruhe, wir kommen!

Am 15. April 2015 hat Bundesjustizminister Heiko Maas seine „Leitlinien“ zur Entwicklung eines Gesetztes für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung vorgelegt. Bezüglich seiner persönlichen 180 Grad Wende und die generelle Aufstellung der SPD dadurch schreibe ich jetzt erstmal nichts. Die Leitlinien findet man hier auf der Seite des Justizministeriums.

Meine erste Einordnung der Eckpunkte:

– Rebranding der Vorratsdatenspeicherung zur Speicherpflicht ist peinlich. Zumal in den Leitlinien Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist gleich sind. Die Bundesregierung sollte die Menschen nicht für blöd verkaufen. Sie sollte ihr Vorhaben einfach beim Namen nennen, nämlich Vorratsdatenspeicherung. Denn es handelt sich hierbei um eine anlasslose, verpflichtende und umfassende Speicherung von Kommunikationsverkehrsdaten.

– Schutz von Berufsgeheimnisträgern ist nicht gegeben: Ein Verwertungsverbot nimmt keine der Forderungen vom Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof auf. Ob ein Berufsgeheimnisträger hinter einer Telefonnummer oder IP-Adresse steckt, weiß man erst in dem Moment, in dem weitergehend gegen eine Person ermittelt wird, sie also im Sieb und damit in der Datenverwertung hängen bleibt und der Name untersucht wird. Eine Handynummer macht erst Sinn, wenn man den Klarnamen danach auflöst und ob Hermann Müller Rechtsanwalt, Koch oder Seelsorger ist, weiß man schließlich erst, wenn man schon längst in seinen Schutzbereich eingedrungen ist und Vertrauensverhältnisse damit zerstört.

– Datenschutz by Design und default wird für Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen und für Internetzugangsanbieter unmöglich: Der viel beschworene Vorteil, Produkte und Angebote mit „Datenschutz made in Deutschland“ zu verkaufen, wird damit beerdigt. Metadatensparsame Entwicklungen werden mit dem umfassenden Katalog an Speicherverpflichtungen unattraktiv und damit nicht von Seiten der Anbieter realisiert.

– Gefahr von Bewegungsprofilen bleibt: Vier Wochen für Standortdaten sind viel zu lang. Vier Wochen bedeuten je nach Mobilfunknutzung mit einem Smartphone zwischen 2.000 und 20.000 Metadatensätze. Jeder Metadatensatz ist ein Bewegungspunkt. Damit lassen sich Gewohnheiten, Freundeskreise und Reiseprofile eindeutig herausarbeiten. Standortdaten braucht man zur Erstellung von Bewegungsprofilen und zur Funkzellenabfrage, zu nichts anderem.

– Kein Schutz vor Geheimdiensten: Die Einschränkung der Abfrage durch das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz wie auch BND und MAD werden mit keinem Wort erwähnt. Ganz unbenommen sind die Praktiken von ausländischen Nachrichtendiensten legal oder illegal an diese Verkehrsdatensätze zu gelangen.
Der Katalog der Straftaten ist viel zu umfassend und ermöglicht Zehntausende oder Hunderttausende Abfragen der dann gespeicherten Vorratsdaten.

Kurzbewertung: Die Speicherung von Kommunikationsverkehrsdaten gesetzlich klarer zu regeln und genauer auszuführen ist ein längst überfälliger Schritt. Die Eckpunkte von Justizminister Maas bedeuten aber die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung und gerade keine Verbesserung der datenschutzrechtlichen Situation. Unternehmen werden zur Speicherung von Daten verpflichtet, die sie selber gar nicht benötigen. Die betroffenen Unternehmen werden so zu Hilfssheriffs der Bundesregierung. Die Vorgaben der Gerichte (BVerfG und EuGH) werden in den Eckpunkten ignoriert. Wenn es, so wie von Maas angekündigt, der fertige Gesetzentwurf so aussieht wie seine Eckpunkte, dann ist dies ein weitreichender Eingriff in unsere Grundrechte und beweist, dass diese schwarz-rote Bundesregierung nichts aus den Enthüllungen der vergangenen 22 Monate und dem Kontrollverlust über die Geheimdienste gelernt hat. Statt die digitale Zukunft im Sinne unseres freiheitlichen Rechtsstaats zu gestalten, reitet die Bundesregierung mit der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ein totes Pferd was die Privatsphäre von uns allen untergräbt. Damit bleibt ein Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe unausweichlich. Die anlasslose Generalüberwachung, der massive Eingriff in die Rechte von BerufsgeheimnisträgerInnen und die weitgehenden Widersprüche zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom April 2014, lassen keine andere Option: Karlsruhe, wir kommen.

4 Thesen zum Wettbewerb in der digitalen Wirtschaft

Am 23. Februar 2015 war ich zu einem Fachgespräch der Grünen Bundestagsfraktion eingeladen, um mit Prof. Justus Haucap, Christian Ewald vom Bundeskartellamt und Jan Schallaböck über „Reicht das deutsche und europäische Wettbewerbsrecht aus, um Marktmacht in der digitalen Wirtschaft zu begegnen?“ zu diskutieren. Da ich leider kurzfristig doch nicht teilnehmen konnte, habe ich vier Thesen für die Debatte aufgeschrieben, die vor Ort verteilt wurden:

1. These

Personenbezogene oder personenbeziehbare Daten haben einen Wettbewerbswert.

2. These

Individuelle Preisdifferenzierung für die einzelnen Kunden auf Grund der vorhandenen Datenmenge muss in den Fokus der Wettbewerbskontrolle (z.B. Reisemarkt mit Kopplung von Flug- und Hotelbuchung).

3. These

Statt der populistischen Forderung nach der Zerschlagung der Konzerne, braucht es eine Berücksichtigung der Datenkonzentration zur Bewertung marktbeherrschender Stellung. Kartellamt und Datenschutzaufsicht müssen enger zusammenarbeiten und sich abstimmen, bspw. im Falle der neuen AGBs von Google und Facebook, wo die Daten aus verschiedenen Diensten zusammengeführt werden sollen/können. Der Stopp der Megaprofile wäre datenschutzrechtlich wie auch wettbewerbsrechtlich sinnvoll.

4. These

Der Wert der vorhandenen Daten gehört in die Unternehmensbilanzen mit aufgenommen, am besten über die International Financial Reporting Standards (IFRS).

Dein Fernseher hört mit

Seit einigen Tagen gibt es berechtigte Kritik an den Datenschutzbestimmungen die Samsung für seine Smart TVs (Vorsicht, Weiterleitung zu samsung.com) einsetzt. Genauer gesagt geht es um die Spracherkennung die eingesetzt wird. Das System kommt von der Firma Nuance. Im Handbuch zu aktuellen Samsung SmartTVs gibt es keinen richtigen Hinweis auf die Datenverarbeitung, im Samsung Support Chat wird darauf verwiesen das man die Datenschutzbestimmungen am Bildschirm im Bereich „Smart Hub“ einsehen kann. Zum Glück schickten mir die Samsung Datenschützer aber auch eine PDF-Version von „Nuance Voice Recognition – Hinweis zum Datenschutz und Einverständniserklärung für Voice Interaction(Voice Control)“, die ihr als PDF auch herunterladen könnt. Ehrlich gesagt ist aber die ganze Erklärung gruselig und alles so unbestimmt, das die Beschwichtigungen von Samsung (Weiterleitung zu chip.de) nicht glaubwürdig sind, da mit der Einwilligung zu dieser Praxis nahezu alles erlaubt sein dürfte.

Parker Higgins von der EFF setzte dabei einen schönen Vergleich (Weiterleitung zu twitter.com) an, der mir auch gleich in den Sinn kam als ich das Ganze las. Es erinnert alles an den Televisor aus 1984 von George Orwell. Für das deutschsprachige Publikum habe ich seine Idee einmal auf twitter kopiert (Weiterleitung zu twitter.com).

 

Die Farbe Grün – Geschichte wird gemacht

Gemeinsam mit Claudia Roth, Konstantin von Notz, Madeleine Henfling, Jan Philipp Albrecht, Silke Gebel und Katharina Schulze, habe ich das Debattenpapier „Die Farbe Grün –  Geschichte wird gemacht“ veröffentlicht. Ihr könnt es im Rahmen der Grünen Programmdebatte auf gruene.de diskutieren. Die Fassung als PDF könnt ihr hier herunterladen. Viel Spaß beim lesen und diskutieren.

Meinungsumfragen der Bundesregierung öffentlich machen

Vor zwei Jahren habe ich eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an das Bundespresseamt geschickt, um Zugang zu deren regelmäßigen Meinungsumfragen zu erhalten. Zwischenzeitlich gab es verschiedene Medienberichte über den Verlauf dieser Anfragen, u.a. im Spiegel und in der Berliner Zeitung. Nach und nach habe ich zahlreiche Umfragen erhalten und teilweise selber kopiert. Mittlerweile sind es tausende Seiten. Ich habe dem Nachrichtenmagazin Spiegel diese Umfragen zur Verfügung gestellt, mit Redakteuren über das weitere Verfahren gesprochen und meine Meinung zu diesem Thema kundgetan. Es gibt einen ausführlichen Artikel dazu im Spiegel 37/14 und auch eine Zusammenfassung online.

Es gibt unterschiedliche Dimensionen in dieser Debatte. Einmal die grundsätzliche Ebene von Transparenz und Informationsfreiheit. Ich halte es für grundsätzlich falsch, dass ich gegenüber der Bundesregierung einen Anwalt einschalten und vor das Verwaltungsgericht ziehen musste, um überhaupt Zugang zu diesen Daten zu erhalten. Auch wenn das Bundespresseamt zwischenzeitlich Auskunft erteilt hat, halte ich das Vorgehen für nicht gerechtfertigt. Ich finde, dass diese Umfragen aktiv veröffentlicht werden sollten.
Zweitens halte ich es für höchstproblematisch, dass es hier ein klares Ungleichgewicht zwischen Regierung und Opposition gibt. Die Bundesregierung und damit auch die Parteispitzen der Regierungsparteien erhalten hier staatlich finanziert einen millionenschweren Vorsprung für ihre politische Arbeit gegenüber der Opposition. Wie sollte auch sichergestellt werden, dass die exklusiven Informationen, die Angela Merkel als Bundeskanzlerin aus diesen Umfragen erhält, nicht auch in ihre Arbeit als Parteivorsitzende der CDU einfließen? Zumal einige Punkte in den Umfragen parteipolitisch formuliert sind. Zum Beispiel wurde in mehreren Umfragen untersucht, wie die Menschen zwischen der damals aktuellen schwarz-gelben Bundesregierung und einer möglichen rot-grünen Regierung unterscheiden. Das hat nichts mit Regierungsarbeit zu tun, sondern ist schlicht Parteipolitik.

Die Aufbereitung der Umfragen wie auch die Zusammenfassungen der Umfrageinstitute, die ich erhalten habe, sind urheberrechtlich geschützt. Diese Umfragen haben den Bundeshaushalt viele Millionen Euro gekostet. Ich habe mich daher dagegen entschieden, diese Umfragen einzuscannen und online zu stellen. Ich bitte um Euer Verständnis, dass ich das Risiko möglicher Klagen aktuell nicht eingehen will. Stattdessen spreche ich gerade mit verschiedenen Akteuren aus der Zivilgesellschaft wie auch der Wissenschaft, um diese Daten einerseits zu digitalisieren und gleichzeitig die Informationen aus diesen Umfragen zugänglich zu machen. Gerade für die Wissenschaft sind diese Umfragen sehr wertvoll: Sie sind aktuell, sauber abgefragt und greifen viele politische und gesellschaftliche Fragen auf. Ein Datenschatz für die Politik- und Sozialwissenschaften.

Um Euch einen Eindruck zu geben, wie umfassend diese Umfragen sind und welche Themen alleine vom Bundespresseamt regelmäßig abgefragt werden, stelle ich die erhaltene Übersicht für Umfragen zwischen 2009 und Sommer 2013 als PDF online. Und dies sind nur die Umfragen des Bundespresseamts, jedes Bundesministerium gibt noch eigene Umfragen in Auftrag.

Stellt selber eine Anfrage nach dem IFG:  Frag den Staat ist eine tolle Plattform dafür. Unterstützt sie auch mit Spenden.

Kampfdrohnen: Der Irrglaube vom sauberen Krieg

Ein kleines Mädchen soll Aufmerksamkeit erzeugen. Ihr Bild ist ungefähr 20 Mal 8 Meter groß und liegt auf einem Feld in Pakistan. Zukünftig könnten es auch Drohnenpiloten aus Deutschland sehen. Denn der Bundeswehrverband fordert ganz offen Kampfdrohnen und auch Verteidigungsministerin von der Leyen spielt mit dem Gedanken, sie für die Bundeswehr zu beschaffen. Das Bild des jungen Mädchens, das ihre Eltern und zwei Geschwister bei einem Drohnenangriff verloren hat, ist Teil einer Kampagne, die auf den Drohnenkrieg hinweisen und wachrütteln soll – auch die Menschen in Deutschland. Am Montag soll die gesellschaftliche Debatte in Deutschland durch eine öffentliche Anhörung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages innerhalb von vier Stunden abgehandelt werden, der Titel: „Völker-, verfassungsrechtliche sowie ethische und sicherheitspolitische Fragen im Zusammenhang mit unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitere Kampffähigkeiten haben“.

Schon heute fliegen Drohnen, oder wie es korrekt heißt: unbemannte Luftfahrzeuge, über unsere Köpfe, ob in 20 oder 15.000 Metern Höhe oder gar in sicherer Entfernung in anderen Ländern. Drohnen sind also längst keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Die Ausführungen sind dabei sehr unterschiedlich: Vom 350 Euro teuren Quadrocopter aus dem Versandkatalog bis zur millionenteuren Kampfdrohne für das Militär. In vielen Ländern sind ihre Einsatzmöglichkeiten und -realitäten vergleichsweise harmlos, Schaden richten sie dennoch an: Sie verletzen unsere Privatsphäre durch Foto- und Videoaufnahmen, sie kollidieren mit anderen Drohnen oder sie stürzen ab und verletzen Menschen. Die Washington Post berichtete jüngst von über 400 größeren Drohnen der US-Armee, die seit 2001 abgestürzt sind. Darunter eine 170-Kilo schwere Armeedrohne, die nahe einem Schulhof im US-Bundesstaat Pennsylvania niederging.

In einigen Ländern bedeuten Drohnen jedoch den sicheren Tod, so etwa im Jemen, in Somalia, in Pakistan oder Afghanistan, wo die USA mit Unterstützung Großbritanniens ihren Drohnenkrieg führen. Hunderte Kinder sind in den letzten zehn Jahren bei Drohnenangriffen alleine in Pakistan gestorben. Tausende Menschen sind es mittlerweile weltweit, darunter viele unschuldige ZivilistInnen. Die genauen Opferzahlen sind ein wohlgehütetes Geheimnis. Die US-amerikanische Rechtsprofessorin Mary Ellen O’Connell hat schon vor über einem Jahr klargestellt: gezielte Tötungen mittels Drohnen sind außerhalb von Kriegsgebieten völkerrechtswidrig. Doch die Bundesregierung hat diesen Krieg, der gegen das Völkerrecht verstößt mit Informationen über Zielpersonen unterstützt. Mutmaßlich wird der Drohnenkrieg sogar von US-Stützpunkten auf deutschem Staatsgebiet aus geplant oder durchgeführt. Gegenüber der US-Regierung hat die Bundesregierung dies aber nie zur Sprache gebracht. Das ist unverantwortlich, zumal die Bundesregierung offiziell extralegale Tötungen verurteilt. Stattdessen möchte die Bundesregierung nun aller Wahrscheinlichkeit nach amerikanische Drohnen kaufen, nicht gleich bewaffnete, aber waffenfähige.

Die Vorstellung, dass Maschinen statt Menschen in den Krieg gehen, in abgelegene Regionen vorstoßen, riskante Einsätze vornehmen, ist alt. Dutzende Filme, etliche Bücher und zahlreiche politische Reden behandeln diese Idee. Doch Krieg ist immer verbunden mit Fehlentscheidungen, menschlichem wie technischem Versagen, Unwägbarkeiten und Risiken. Die traurige Bilanz der amerikanischen Drohneneinsätze belegt dies auf tragische Weise. Denn der Abschuss per Knopfdruck vor dem Bildschirm macht die Entscheidung surrealer und damit einfacher. Das Gleiche gilt für Abgeordnete, es ist ein Unterschied ob man Soldaten oder Technik in den Krieg ziehen lässt. So sinkt die Hemmschwelle zum Einsatz bewaffneter Gewalt und die berechtigte Zurückhaltung bei politischen Entscheidungen über Militäreinsätze wird beeinträchtigt.

Hinzu kommt die rasante technische Entwicklung in diesem Bereich. Autonom handelnde Drohnen im Kampfeinsatz, die ohne expliziten Befehl lediglich auf Basis ihrer Programmierung und eigenständig analysierter Informationen ihr Ziel suchen und unter Beschuss nehmen, sind vielleicht noch Zukunftsmusik, aber wie lange noch? Die Forschung an der Grundlagentechnik für solche autonomen Kampfsysteme findet fieberhaft und mit hohem Geldeinsatz statt. Viele der notwendigen Daten sind schon heute vorhanden. Der ehemalige NSA und CIA Chef Michael Hayden gab erst jüngst bekannt, das bereits heute auf Basis gesammelter Telekommunikations-Metadaten Tötungen durchgeführt werden. Der Sprung zwischen Auswertung von Daten und autonomer Zielerfassung ist nicht mehr weit. Schon heute können Drohnen Kommunikation abhören, Standorte von Mobiltelefonen ausfindig machen, hochauflösende Fotoaufnahmen machen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Drohnen diese Daten selber auswerten und ihrem Operator potentielle Ziele vorschlagen. Vielleicht reichen zukünftig nur bestimmte Schlagworte in einem abgehörten Telefonat, eine auffällige Handynummer oder eine Stimme, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit einem veröffentlichten Video einer als terroristisch deklarierten Vereinigung zuzuordnen lassen. In der Logik von Militärs und Geheimdiensten ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Entscheidung über das zu tötende Ziel an einen Computer delegiert wird. Und selbst wenn der Einsatz solcher autonomen Kampfsysteme für die Zukunft kategorisch ausgeschlossen werden sollte, würden von Menschen gesteuerte Kampfdrohnen die Bundeswehr noch stärker als Offensivarmee prägen, da Operationen im Ausland scheinbar effizienter und mit weniger Risiko durchgeführt werden könnten.

Als Grüner ist für mich klar, keine waffenfähigen Drohnen für die Bundeswehr. Kampfdrohnen, die computerkontrolliert und autonom Entscheidungen über Angriffsziele treffen können sind zu ächten und gehören verboten. Die Hoffnung eines „sauberen und chirurgischen Krieges“ und die kolportierte „ethische Neutralität von Waffen“ gibt es einfach nicht. Durch Kampfdrohnen wurden in den letzten Jahren vor allem durch die US-amerikanischen Streitkräfte und Geheimdienste viele tausende Unbeteiligte getötet. Auch und gerade für die Bundeswehr müssen neben sicherheitspolitischen Argumenten auch völker- und verfassungsrechtliche wie auch ethische Grundsätze gelten. Daher sollte gelten: Nicht alles, was technisch machbar und einsatzfähig ist, muss angeschafft und verwendet werden. 

Volle Transparenz bei der Telekommunikationsüberwachung

Am 5. Mai 2014 hat die Deutsche Telekom ihren ersten Jahresbericht – Auskunft an Sicherheitsbehörden“ veröffentlicht. Der SPIEGEL (Ausgabe 20/14) hat dazu auch eine kurze Meldung mit einem Zitat von mir gebracht. Wobei man die Zahlen kaum Bericht nennen kann. Es sind letztendlich vier Zahlen die veröffentlicht werden, zu denen es jeweils kurze Erklärungen gibt. Die Zahl der Anschlussüberwachungen, 2013 waren es 49.796, die Zahl der übermittelten Verkehrsdatensätze mit 436.331, die Auskunft über Teilnehmerbestandsdaten von 28.162 und Auskunft wer hinter einer IP-Adresse sich verbirgt, mit 946.641. Erstmal Danke, das die Deutsche Telekom überhaupt Zahlen veröffentlicht. Der kleine Mailanbieter Posteo hatte dies kurz vorher getan, um vor allem auf die Praktiken der Polizei hinzuweisen. Bei der Deutschen Telekom gibt es extra über das Bundesgebiet verteilte Zentren, zur Bearbeitung dieser staatlichen Anfragen. Zur Telekommunikationsüberwachung gibt es bereits seit Jahren Zahlen vom Bundesamt für Justiz, aufgeschlüsselt nach Bundesländern. Da bisher nur die Zahlen für 2012 vorliegen, die Deutsche Telekom aber ihre Zahlen für 2013 veröffentlicht hat, kann man die Daten schwer abgleichen. Anscheinend betrifft aber ein wesentlicher Teil der Anordnungen die Deutsche Telekom.

 

Gestolpert bin ich aber über die Zahl der übermittelten Verkehrsdatensätze. 436.331 Datensätze klingt im ersten Moment sehr niedrig. Durch eigene Abfragen meiner Verkehrsdatensätze bei der Deutschen Telekom weiß ich, das dies für einen Monat Mobilfunk durchaus 15.000 Verkehrsdatensätze sein können. Ich habe also bei der Deutschen Telekom nachgefragt und bekam die schnelle Antwort, das nach ihrer Statistik ein Verkehrsdatensatz nicht gleich einer Dokumentation eines Kommunikationsvorganges ist, also Telefonat, Internet Log-In, SMS oder ähnliches, also bspw. einem Call Data Record der bei jeder Mobilfunknutzung entsteht. Sondern bei der Zählweise der Deutschen Telekom geht es um 436.331 Anfragen zu Verkehrsdaten die beauskunftet wurden, in diese Aufzählung fallen auch die Funkzellenabfragen, die ein immer beliebteres Instrument werden für die Sicherheitsbehörden. Sprich im Durchschnitt werden jeden Tag fast 1.200 Dateien mit Verkehrsdatensätzen übermittelt. Nach neuesten Zahlen (PDF) aus dem Land Berlin, kamen alleine im Jahr 2013 bei 305 Funkzellenabfragen fast 50 Millionen Verkehrsdatensätze zusammen, bei einem Verfahren mit Funkzellenabfrage gab es fast 36 Millionen dieser Datensätze. Rechnet man dies nur ansatzweise auf die Bundesrepublik hoch, bedenkt das es neben Funkzellenabfragen auch andere Anfragen gibt, übermittelt die Deutsche Telekom vielleicht 436.331 Dateien mit Verkehrsdatensätzen, diese können aber teilweise mehrere Tausend, Zehntausend, Hunderttausend oder je nach Zeitraum und Umfang einer Funkzellenabfrage vielleicht sogar Millionen Verkehrsdatensätze über Bürgerinnen und Bürger enthalten.

 

Die Erläuterung der Deutschen Telekom schafft hier aber keine Transparenz, sondern suggeriert einen anderen Eindruck:

 

Die Anzahl der beauskunfteten Verkehrsdatensätze belief sich auf insgesamt 436.331. Ganz überwiegend wurden die Auskunftsersuchen auf § 100g StPO gestützt, daneben auch in weitaus geringerer Anzahl der Fälle auf das Artikel 10-Gesetz sowie die Polizeigesetze der Länder. Nach § 100g StPO dürfen aufgrund richterlicher oder staatsanwaltlicher Anordnung ohne Wissen des Betroffenen Verkehrsdaten erhoben werden, soweit dies zur Erforschung des Sachverhaltes oder zur Ermittlung des Auf-enthaltes des Betroffenen erforderlich ist und bestimmte Tatsachen den Verdacht rechtfertigen, dass sich der Betroffene als Täter oder Teilnehmer einer in § 100a StPO bezeichneten Straftat (s.o.) strafbar gemacht hat. Die Provider werden durch diese Vorschriften verpflichtet, den Behörden die angeforderten Verkehrsdaten zur Verfügung zu stellen.“

 

Keine Erläuterung wie die Deutsche Telekom einen Verkehrsdatensatz nach ihrer Meinung nach definiert, kein Hinweis das natürlich eine Abfrage nur einen einzelnen Kommunikationsvorgang betreffen kann, also wenn man nur genau wissen will, welche Rufnummer hat zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Nummer angerufen. Das aber auch mehrere Tausend Datensätze darunter fallen können, wird verschwiegen. Vergleicht man die Möglichkeiten die die genannten Gesetze, 100a und 100g StPo oder auch das G10 Gesetz liefern, kann man das erahnen, ein Transparenzbericht soll aber ja gerade Transparenz liefern und nicht neue Fragen aufwerfen. Hier wird der Eindruck vermittelt, unsere Überwachung sei ja gar nicht so umfassend, wie viele meinen. Hier soll zumindest ein Eindruck suggeriert werden.

 

Ich hoffe die Deutsche Telekom ändert hier ihre Praxis und nennt die Gesamtzahl der übermittelten Verkehrsdaten, was mindestens in die Millionen geht, vermutlich sogar hohe zweistellige oder sogar dreistellige Millionenzahlen bedeuten wird, da hier keine Transparenz herrscht, kann man es nur erahnen.

 

Neben den genauen Zahlen, sollte auch eine genaue Aufschlüsselung stattfinden, welche Stellen rufen Daten ab, zumindest aufgeschlüsselt nach Bundesländern und dem Bund, wenn schon nicht nach einzelnen Behörden. Es muss transparent werden, wie viele Auskunftsanfragen abgelehnt werden und auch welche genauen gesetzlichen Grundlagen herangezogen werden, statt diese zusammenzuwürfeln. Die Tabellen des Bundesamtes für Justiz bieten dafür mögliche Ansätze.

 

Das die Deutsche Telekom Transparenz wagt ist gut, wozu die Sicherheitsbehörden selber nämlich nicht bereit sind, die es doch am besten machen sollten. Ein Transparenzbericht sollte aber mehr Fragen beantworten, als neue aufzuwerfen und auch aus mehr als nur vier Zahlen bestehen. Die Deutsche Telekom hat all die Informationen vorliegen, sie sollte sie nutzen.

 

In dieser Woche wurden auch andere Zahlen zur Auskunft von Kundendaten im Telekommunikationsbereich veröffentlicht, nämlich im Jahresbericht der Bundesnetzagentur für das Jahr 2013. Die Summe der Anfragen finden sich auch nicht im Transparenzbericht der Deutschen Telekom, da dort nur die Anfragen zu Bestandsdaten nach § 113 TKG aufgeführt werden. Die Bundesnetzagentur listet wiederum die Zahlen nach zum automatisierten Auskunftsverfahren nach § 112 TKG auf. Eine Erklärung wird mitgeliefert:

 

„Das Auskunftsverfahren nach § 112 TKG leistet einen erheblichen Beitrag zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Gesetzlich berechtigte Stellen, meist Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden, können hierüber bei der Bundesnetzagentur bestimmte Kundendaten (Name, Anschrift, Rufnummern) abfragen. Die Bundesnetzagentur führt dabei keine eigenen Kundendatenbanken. Vielmehr müssen Unternehmen, die TK-Dienste für die Öffentlichkeit anbieten und dabei selbst Rufnummern oder andere Anschlusskennungen vergeben, der Bundesnetzagentur den Datenabruf jederzeit technisch ermöglichen.“

Die Summe der Anfragen beläuft sich auf fast sieben Millionen für das Jahr 2013. Alles weitere kann im Bericht nachgelesen werden. (PDF 6 MB)