Update: BKA schwinkt sich zum Richter auf – Vertrag veröffentlicht

Der CCC hat einen Entwurf für einen Vertrag zwischen dem Bundeskriminalamt (BKA) und den Internetprovidern veröffentlicht. Der Vertragsentwurf ist weitere Grundlage für die Diskussionen einer Arbeitsgruppe zwischen dem BMFSFJ/BKA und einzelnen Internetanbietern die rund 95% der hiesigen Anschlüsse verwalten. Die Arbeitsgruppe hat bereits zweimal getagt und tagt auch heute am Freitag den 13. Sie soll technische wie auch rechtliche Fragen klären

Das BKA wünscht sich einen Vertrag zur Sperrung/ Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Angestoßen wurde die aktuelle Diskussion von Frau von der Leyen. Die bisherige Position von Vertretern der Internetprovider war das es eine spezialgesetzliche Regelung zu dieser Frage gibt. Diese soll sicherstellen das der zu sperrende Tatbestand so eng wie möglich gehalten wird und nicht auch noch plötzlich andere Websiten mit auf diese Sperrlisten aufgenommen werden können.

Als technische Lösung ist bisher das DNS-Blocking im Raume. Diese Methode wurde gestern zu Recht von Prof. Federrath in einer Bundestagsanhörung damit erklärt, dass die überhaupt nichts erschwert. Jeder Mensch kann mit wenigen Klicks seinen DNS-Server umstellen und damit die Sperrlisten umgehen.

In dem jetzigen Vertragsentwurf fallen mir folgende Punkte auf:

1. §1 (1) Das Bundeskriminalamt erstellt eine Liste der Vollqualifizierten Domainnamen (VDN), bei denen es festgestellt hat, dass diese kinderpornografische Schriften im Sinne von § 184b des Strafgesetzbuches (StGB) beinhalten oder den Zugang hierzu vermitteln.

(2) Die Befugnis zur Sperrung des Zugangs zu den auf der Liste nach § 1 Abs. 1 aufgeführten VDN durch den ISP erfolgt auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des ISP. Der ISP sieht in seinen AGB eine Regelung vor, die es ihm erlaubt, den Zugang seiner Kundinnen und Kunden zu kinderpornographischen Internetinhalten zu sperren. Die positive Kenntnis des ISP, dass eine VDN kinderpornografische Schriften im Sinne von § 184b des Strafgesetzbuches (StGB) beinhaltet oder den Zugang hierzu vermittelt, stellt einen im Sinne dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwingenden Grund für die Sperrung des Zugangs zu dieser Seite dar. Sollte eine entsprechende Klausel in den AGB des ISP noch nicht enthalten sein, verpflichtet sich der ISP, seine AGB unverzüglich zu ergänzen und seinen Kundinnen und Kunden die geänderten AGB in der nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorgegebenen Form bekannt zu geben.

= diese Auslegung des Rechts ist völlig willkürlich. Bisher konnten Sperrungen nur von Gerichten beschlossen werden. Jetzt sollen es letztendlich die ISPs selber machen. Sie sollen ihren Kunden nach den AGBs nicht erlauben bzw. möglich machen müssen auf Seiten mit kinderpornografischen Inhalten zugreifen zu können. Das BKA tritt als Dienstleister auf, der den ISPs die zu sperrenden Inhalte auflistet. Bisher waren dafür Gerichte notwendig, jetzt wird das BKA zum Richter der entscheidet welche Seite auf die Liste kommt und welche nicht.

Durch diese Festlegung wird nun auch festgehalten was Kinderpornografie ist, und das Jugendpornografie nicht unter die zu sperrenden Inhalte fällt.

2. §3 (2) Die Sperrmaßnahmen erfolgen mindestens auf Ebene des VDN. Der ISP entscheidet auf der Grundlage des jeweiligen Stands der Technik, auf welche Weise die Erschwerung des Zugangs vorgenommen wird.

= Bedeutet dies nun das auch alle anderen Möglichkeiten genutzt werden können? Stand der Technik sind hybride Lösungen wie sie von der British Telecom oder ähnlich auch in China eingesetzt werden. Damit wird sofort klar, es soll schnell weitergehen in der Entwicklung und der Vertrag sollen nicht auf einer technischen Sperrmöglichkeit beschränkt sein.

3. §2 (3) Das Bundeskriminalamt verpflichtet sich, dem ISP Inhalt und Layout einer standardisierten Seite („Stopp“-Seite) zur Verfügung zu stellen, die der Kundin und dem Kunden angezeigt wird, wenn sie oder er versucht, eine gesperrte Adresse aufzurufen.

= schaffen die ISPs nicht selber eine solche Seite zu erstellen. Dann wird dort der Bundesadler drauf stehen, vielleicht noch ein Foto von Schäuble oder von der Leyen und im Hintergrund speichern Logfiles die nötigen Informationen.

4. §2 (1) Das Bundeskriminalamt verpflichtet sich, dem ISP an Tagen, an denen Dienstverpflichtung besteht, spätestens um 10.00 Uhr aktuelle Listen nach § 1 Abs. 1 bereit zu stellen. Die Bereitstellung der Listen erfolgt in verschlüsselter Form, deren Art und Weise einvernehmlich in einer Anlage zu diesem Vertrag festzulegen ist. Diese Anlage ist Bestandteil des vorliegenden Vertrages.

= jeder Mensch weiß wie schnell Webseiten gespiegelt werden können. Einmal täglich und dann auch noch sechs Stunden Zeit zur Umsetzung heißt: Den Betreiberb wird 30 Stunden Zeit gegeben die Seite umziehen zu lassen bzw. unter einer anderen Domain abzuspeichern. Hiermit wird nichts verhindert, es ist alleine ein Katz und Maus Spiel. Sobald die ersten ISPs die Sperrung vornehmen ist dies für die Betreiber ersichtlich und sie können in Minuten die die Seite wieder unter anderem Namen zugänglich machen.

5. §3 (6) Mit der Bereitstellung einer aktualisierten umsetzbaren Liste des Bundeskriminalamtes verliert die bisherige Liste ihre Gültigkeit. Nicht mehr gültige Listen sind vom ISP unverzüglich zu löschen und durch die aktuelle Sperrliste zu ersetzen. Dem Bundeskriminalamt sind jeweils montags bis 12.00 Uhr Statistiken über die Anzahl der abgewehrten Zugriffe pro Tag unter Benennung der Zugriffsziele für die vergangene Woche zu übersenden. Sie sind gemäß den in der Anlage zu diesem Vertrag enthaltenen Vorgaben zu übersenden und dürfen keine personenbezogenen Daten enthalten.

= Es wird wieder zu einem Streit kommen ob die IP-Adresse ein personenbezogenes Datum ist oder nicht. Ansonsten kann sich das BKA schön Montags hinsetzen und Listen auswerten. Auf welcher rechtlichen Grundlage diese Übermittlung erfolgt bleibt völlig unklar.

Daraus erschließt sich für mich:

Mit den Maßnahmen wird reine Symbolpolitik betrieben. Kein Kindesmissbrauch wird verhindert, die Verfolgung von Tätern und Anbietern wird dadurch eher noch erschwert. Diese werden ihre Machenschaften in Bereiche verlagern (Direktversand, Fileserver) in denen die Verfolgungs- und Überwachungsmöglichkeiten schwerer sind.

Es muss um konsequenten Schutz von Kindern vor Missbrauch und Misshandlung gehen. Kinderpornografie gehört verfolgt und muss bekämpft werden. Dafür bedarf es dringend einer personellen Aufstockung der zuständigen Abteilungen in den Landeskriminalämtern und beim Bundeskriminalamt. Es bedarf einer besseren internationalen Zusammenarbeit, um die Produzenten solchen Materials dingfest zu machen. Es bedarf klarer weltweiter Vereinbarungen, dass der Inhalt auf Servern schnell gelöscht werden kann. Eine Politik die sich darauf zurückzieht „Was man nicht sieht, ist auch nicht da“ bringt uns kein Stückchen weiter.

Ich hoffe das die Internetanbieter diesen Vertragsentwurf oder auch jeglichen anderen Vertrag nicht unterschreiben. Dies ist nicht eine Diskussion, die heimlich zwischen dem BKA und ISPs unter dem Deckmantel des BMFSFJ geführt werden kann. Es geht letztendlich um die Abkehr vom freien Internet und es wird in Grundrechte von allen Menschen eingegriffen. Hierzu muss der Deutsche Bundestag, die Bundesjustizministerin, der Bundesdatenschutzbeauftragte und letztendlich jeder von uns Stellung beziehen können.

Der Vertragsentwurf zum download.

Eine Meldung von heise.de zur gestrigen Anhörung im UA Neue Medien des Deutschen Bundestages.


Kurzes Update:

Auf der Sitzung der Arbeitsgruppe am vergangenen Freitag wurde ein Vertragsvorschlag aus Reihen der Internetprovider vorgelegt. Dieser ist nun auch online zugänglich. Da man sich erstmal nicht einigen konnte, wurde die Sitzung auf den 13. März vertagt. Es wird jetzt versucht von Seiten der Ministerien den Druck auf die Unternehmen aufzubauen das diese jeweils individuelle Verträge mit dem BKA unterschreiben. Der Passus das man eine gesetzliche Regelung anstrebt ist so nichts-sagend wie es nur sein kann, da er nicht Grundlage von dem Vertrag ist, sondern lediglich eine Absichtserklärung darstellt. Neuer Vertragsentwurf für die Sitzung der AG am 20. Februar 2009. Quelle: Datenschutzbeauftragter-Online.de

Teile diesen Inhalt: