Fakten zur aktuellen Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung

Gerne wurde in den vergangenen Tagen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung von Sicherheitsfanatikern der Untergang des Abendlandes an die Wand gemalt. Hier ein paar Antworten auf einige „Thesen“ in dieser Diskussion:

„Wenn sich das herumspricht, dann wird Internetkriminalität nach Deutschland verlagert“, sagte de Maizière der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ Quelle: heise.de

Falsch. Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist noch lange nicht in allen EU Mitgliedstaaten umgesetzt. So gibt es in Schweden oder auch Österreich gerade Diskussionen über eine Umsetzung bzw. ob es überhaupt umgesetzt werden soll. Obwohl in diesen Ländern also gerade keine Vorratsdatenspeicherung gilt, hat sich die Internetkriminalität nicht in diese Länder verlagert. Siehe dazu die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts (PDF) von Österreich, wo von KEINER besonderen Problematik mit Internetkriminalität gesprochen wird.

„Uns wird mit der Nutzung dieser Daten ein zentrales Instrument zur Bekämpfung und Aufklärung von Verbrechen aus der Hand genommen. Es gibt Täter, denen wir ohne die Nutzung von Telekommunikationsdaten nicht auf die Spur kommen. Da geht es auch um Beleidigung, Betrug und Stalking übers Internet.“ Klaus Jansen, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Quelle: Passauer Neue Presse (Link nicht mehr verfügbar)

Falsch. Die Verfolgung von Straftaten hat auch vor dem 1. Januar 2008 in Deutschland stattgefunden, bis dahin gab es in Deutschland keine Vorratsdatenspeicherung. Trotzdem wurden Delikte wie Betrug oder auch Beleidigung geahndet. Zudem sind gerade Tatbestände wie Beleidigung schon seit dem Eilentscheid des Bundesverfassungsgerichts vom März 2008 zu den Fällen zu zählen, wo keine Daten aus der Vorratsdatenspeicherung genutzt werden durften.

„Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) schlug in unserer Zeitung Alarm: In zwei von drei Fällen sei die Polizei bei ihren Ermittlungen inzwischen auf Vorratsdaten angewiesen. „Tendenz deutlich steigend“, sagte BDK-Chef Klaus Jansen.“ Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung

Falsch. Die Anzahl von Verfahren in denen Daten aus der Vorratsdatenspeicherung abgefragt wurden lag im Jahr 2008 bei gerade einmal 8316. Insgesamt gab es aber laut offizieller Kriminalitätsstatistik rund 6,39 Millionen polizeilich registrierte Straftaten (Link nicht mehr verfügbar), dies bedeutet nicht zwei von drei Fällen sondern einer von 760 Fällen! Hier noch einmal die aktuelle Übersicht des Bundesamts für Justiz zur Abfrage nach §100g Abs. 1 StPO als PDF (Link nicht mehr verfügbar) für 2008. Zahlen für 2009 werden erst im Sommer 2010 veröffentlicht.

„Viele Straftaten könnten nur mit den Daten aus der Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt werden, sagte der CDU-Politiker der „Bild-Zeitung“ (Dienstagsausgabe). „Sollte das Gericht das Gesetz verwerfen, werden viele Täter nicht mehr überführt werden können. Die Terrorhelfer sind hochkommunikativ und konspirativ, wir brauchen den Datenzugriff.“ sagt Wolfgang Bosbach (CDU-Innenexperte) Quelle: Reuters

Falsch. Bereits im Jahr 2007 hat das Max-Planck-Institut für Strafrecht herausgefunden das die Möglichkeit der Nutzung von Informationen aus der Vorratsdatenspeicherung nur minimale Verbesserungen der Aufklärungsquote in der Verbrechensbekämpfung bringen würden. Andere Instrumente wie die TKÜ oder Abfrage von Bestandsdaten im Telekommunikationsbereich dürfen zudem weiterhin genutzt werden. Alternative Ansätze wie Quick Freeze sind außerdem ähnlich wirksam, bedeuten aber keine permanente Massenüberwachung der Gesamtbevölkerung. Die aktuelle Verurteilung der Mitglieder der so genannten Sauerland-Gruppe zeigt zudem, die Terrorismis-Bekämpfung ist auch ohne Vorratsdatenspeicherung möglich. Die Verhaftung der Sauerland-Gruppe fand im September 2007 statt, die Vorratsdatenspeicherung wurde aber erst zum 1. Januar 2008 eingeführt.

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