Wege aus der Vertrauenskrise: Europa für Jugendliche attraktiv machen

Als junger Europäer und Europabegeisterter, der auf verschiedenen Ebenen Erfahrungen mit europäischer Politik sammeln konnte, sind das zentrale Fragen, die mich in meinem politischen Handeln leiten. Und ich sehe für die folgenden Jahre vor allen Dingen eine entscheidende Herausforderung, die es zu bewältigen gilt, um diese Ziele zu erreichen: Es müssen endlich europaweit gleiche Bildungschancen für alle Jugendlichen geschaffen werden. Soll das so oft attestierte Akzeptanzproblem der Europäischen Union überwunden werden, ist dies zwingend erforderlich.

Bildungschancen machen Europa greifbar

Bildung heißt Teilhabe und ist die Voraussetzung, um teilweise komplexe Entscheidungsstrukturen zu verstehen. Deshalb sind gerechte Bildungschancen die conditio sine qua non, um Europa zum greifbaren Ort politischer Debatten zu machen, der auch als solcher wahrgenommen wird. Bildung ist der Schlüssel, um in Zukunft mehr Europa möglich zu machen.

Dabei gibt es durchaus vielversprechende Ansätze in der europäischen “Bildungspolitik”. Derjenigen, der aber auf der Suche nach geeigneten Förderprogrammen ist, sieht sich zunächst mit einem unübersichtlichen Wirrwarr von Initiativen und Programmen (Bologna, Leonardo, Erasmus) konfrontiert und hat schnell den Überblick verloren. Das jeweils passende Programm zu finden wird zur eigentlichen Herausforderung. Die Folge davon ist, dass momentan hauptsächlich Student/innen und besser Gebildete von den Europäischen Förderprogrammen profitieren, da an den Universitäten und Hochschulen die Bewerbung der Förderprogramme noch am besten funktioniert.

Erasmus auch für Lehrlinge

Hier besteht Veränderungsbedarf, damit die bereitgestellten Mittel auch alle erreichen. Wir Grüne wollen das durch die Einführung von „One-Stop-Agencies“ – eine Anlaufstelle für alle von der EU geförderten Auslandsaufenthalte für Jugendliche und junge Erwachsene – ändern. Frei nach dem Motto: „Erasmus für alle“, also auch für Praktikant/innen, Freiwillige und Lehrlinge. Denn Europa darf keine Sache der Akademiker/innen sein, sondern muss endlich zu einer Angelegenheit aller Bürger/innen werden. Breitere Angebote und eine allgemeine Erhöhung der Fördermittel ist die politische Forderung. Europa braucht eine junge Generation, die in Europa zu Hause ist, lautet die Grüne Botschaft.

Mit einer solchen Politik des einfachen und unbürokratischen Zugangs zu den europäischen Fördermitteln wäre schon viel geschafft. Doch neben den Angeboten der formellen Bildung sollten ebenso die Angebote non-formaler Bildung gestärkt werden. Wer einmal mit spanischen Jugendlichen einen Nachmittag im Park verbracht hat, wird die Unterschiede und Gemeinsamkeiten besser begreifen können, wird in Zukunft anders auf Spanier/innen zugehen als derjenige, der außerhalb eines Sprachkurses keine Erfahrung mit der spanischen Mentalität gesammelt hat.

Solche, nicht gering zu schätzenden Erfahrungen müssen endlich auch von der Politik stärker anerkannt werden. Diplome und Zeugnisse spiegeln nicht allein die Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person wider. Integrationsfähigkeit in ein neues soziales Umfeld kann man nicht benoten. Kompetenzen, die außerhalb von Schule und Universität erworben werden, spielen aber eine ebenso bedeutende Rolle auf dem Weg zu einer erfolgreichen europäischen Integration. Soziale Kompetenzen sind mittlerweile wesentliche Einstellungsgründe, das hat die Wirtschaft erkannt, allein die Politik hinkt wieder hinterher.

Mehr EU-Unterstützung für die Jugendarbeit

Jugendorganisationen sind oftmals der erste Ort, an dem junge Menschen mit europäischen Prozessen und Entscheidungsstrukturen in Berührung kommen. Daher müssen sie ein stärkeres Mitspracherecht erhalten. Doch Mitsprache darf nicht zur hohlen Floskel in politischen Sonntagsreden verkommen. Sie zu fordern ist leicht, damit sie Wirklichkeit werden kann, muss sie aber neben der Verankerung in den Entscheidungsstrukturen auch im Haushalt wiederzufinden sein. Deshalb fordern wir als Grüne mehr EU-Unterstützung für Jugendliche und die Jugendarbeit.

In der finanziellen Vorausschau brauchen wir ein adäquates Budget für die Jugendpolitik, um diese insgesamt, aber auch einzelne Projekte zu stärken. Es müssen mehr Mittel für Youth in Action, aber auch für lebenslanges Lernen (z.B. Erasmus und Erasmus Mundus, Leonardo da Vinci) und die bereichsübergreifenden Querschnittsprogramme (z.B. Jean Monnet, eTwinning) zur Verfügung stehen.

Die genannten Punkte machen deutlich, dass von Seiten der europäischen Institutionen die Unterstützung der europäischen Jugendarbeit verbessert und ausgebaut werden muss. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn wir brauchen nicht nur die Fördermittel, wir brauchen vor allem die jungen Menschen. Wir müssen Mittel und Wege finden, sie besser anzusprechen als es uns bisher gelingt. Denn die Zukunft Europas sitzt nicht im Ministerrat, die Zukunft Europas sitzt in den Klassenzimmern, in Berlin, Paris, London oder Rom.

Für Europa engagieren

Wir müssen uns die Frage stellen: Warum entscheidet sich heute ein junger Mensch dafür, sich für Europa zu engagieren? Am einfachsten ist es zu sagen: Weil Europa viel für junge Menschen gebracht hat und noch bringen kann. Die heutige Generation junger Menschen profitiert von Errungenschaften der Europäischen Integration (Frieden, Reisefreiheit, Gemeinsamer Markt, Erasmus) wie keine zuvor. Was für meine ältere Schwester durch die Etablierung des Schengen- Raums der Fall des Schlagbaums an den Grenzen war, war für mich selber die Einführung des Euros. Doch diese einschneidenden Veränderungen werden gerade von jungen Menschen allzu oft als selbstverständlich angesehen, sind sie doch heute schon für viele (unreflektierte) Alltagserfahrung. Darum gilt es heutzutage jungen Menschen deutlich zu machen, wieso Europa für sie wichtig ist. Es geht darum Europa im Alltag sichtbarer zu machen, Europa erfahrbarer zu machen. Und dafür ist die Arbeit der europaweit aktiven Jugendverbände so wichtig.

Jenseits der Förderung von Jugendprogrammen, die auf sehr konkrete Art Europa greifbar machen, kann dafür das Internet ein weiterer wichtiger Baustein sein. Junge Menschen lernen Europa heute am frühesten über das Internet und die Medien kennen. Grenzen sind im Internet nicht mehr existent, Sprachen vielleicht noch eine der letzten Hürden. Die europäische Zusammenarbeit zwischen jungen Menschen in Europa wird durch das Internet befeuert und unterstützt das Engagement junger Menschen.

Doch es gibt auch weitere Anliegen jenseits der Bildungsarbeit, die dazu dienen Hindernisse auf dem Weg nach Europa abzubauen und Hemmschwellen zu minimieren, um das Engagement junger Menschen in Europa zu befördern.

Soziale Ungleichheiten überwinden

Zum einen müssen wir mittel- und langfristig die soziale Ungleichheit innerhalb der europäischen Union überwinden. Nicht alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen können in gleicher Weise von den genannten Programmen profitieren. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, um mehr soziale Gerechtigkeit in Gesamteuropa zu schaffen und so Europa auch für alle tatsächlich möglich zu machen.

Auch wird man mit einer besseren finanziellen Ausstattung allein das trotz des Lissabon-Vertrags fortbestehende Demokratiedefizit nicht überwinden können. Eine strukturell bessere Kommunikation der EU ist notwendig. Das kann beispielsweise durch jugendgerechte Websites ermöglicht werden.

Auch die Schaffung von mehr Beteiligungsmöglichkeiten, wie sie in einem ersten Schritt die „Europäische Bürgerinitiative“ darstellt, sind Schritte auf dem Weg für eine stärkere Einbindung der BürgerInnen in die Europäische Union. Will man aber auf diesem Weg auch Jugendliche an die Europäische Union heranführen, muss das Alter für die Beteiligung von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt werden.

Es bleibt also noch viel zu tun, was Jugendarbeit in Europa anbelangt. Doch die Arbeit mit und für Europa – gerade mit jungen Menschen – ist wichtig, denn sie wird unsere Zukunft entscheidend prägen.

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