Debatte um Vorratsdatenspeicherung und neuer Wahnsinn bei der Urheberrechtsdurchsetzung in den USA

Die vergangenen Tage war ich in Washington und der Bay Area (San Francisco/Sillicon Vallye) unterwegs um mich mit etlichen netzpolitischen Akteuren in den USA aber auch mit Verbänden und Unternehmen zu treffen. Ausführliche Berichte dazu folgen im August hier auf der Seite.

In den letzten Tagen wurde vor allem über die Debatte um die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung berichtet. Diese soll wesentlich sein zur Bekämpfung der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Internet. Die Debatte kommt irgendwie bekannt vor. Zum ersten Mal wurde jetzt breiter über diese Pläne berichtet, was auch mit dem Start einer Aktion der EFF zusammenhängt, bei der jede und jeder seine jeweiligen Abgeordneten kontaktieren soll um über die weitreichenden Folgen dieses Vorhabens aufzuklären. Eine ähnliche Aktion hat dann auch Patrick Breyer in seinem Blog für die deutsche Debatte gestartet. Insgesamt musste ich bei meinen Gesprächen in den USA feststellen das die Aufregung und die Kenntnis über das Thema Vorratsdatenspeicherung in den USA bisher sehr gering ist. Sowohl aus der Zivilgesellschaft als auch aus der Wirtschaft gab es bisher wenig Widerstand gegen die Pläne zur Einführung dieser anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten, verglichen mit der Debatte in Deutschland oder auf europäischer Ebene. Ich hoffe das sich in kommenden Monaten ein breites Protestbündnis mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren und Gruppen zusammenschließt, das auf die Risiken und massiven Grundrechtseingriffe eines solches Vorgehens hinweist. Politisch wird es noch Zeit brauchen bis es wirklich zu einer maßgeblichen Abstimmung kommt, die erste Abstimmung im House Judiciary Committee war allerdings ein Erfolg für die Republikaner und Unterstützer der Vorratsdatenspeicherung.

Weniger Beachtung fand bisher die Debatte um den PROTECT IP Act. Der Vorschlag wurde vom demokratischen Senator Patrick Leahy eingebracht. Den Orginaltext gibt es hier als PDF. Hierbei geht es um eine Verschärfung der Rechte zur Durchsetzung von Urheberrechten. Hier melden sich unterschiedliche Stellen zu Wort die diese weitreichenden Vorschläge ablehnen, auch zahlreiche Internetunternehmen wie Google sind dabei oder Zahlungsdienstleister wie Kreditkartenfirmen. Unterstützung für die Verschärfung kommt natürlich aus der Content-Industrie und ihren Lobbyverbänden wie der RIAA oder MPAA (PDF). Hinter vorgehaltener Hand sehen viele Akteure in den USA leider gute Chancen für eine abgeschwächte Variante des Protect IP Acts, da es als Geschenk für Hollywood vor dem Wahlkampf 2012 angesehen wird. Schauspieler, Musiker und auch die entsprechenden Medienunternehmen sind wichtige Unterstützer vor allem für die Demokraten, sowohl medial als auch finanziell. Deshalb wird weniger Gegenwind von manchen demokratischen Abgeordneten erwartet, als vielleicht bei anderen Themen wo es um die Einschränkung von Bürgerrechten geht. Hoffnung haben manche eher auf Gegenwehr aus den Reihen der Republikaner, da viele Wirtschaftsunternehmen das Vorgehen deutlich ablehnen.

Bekanntester Teil des PROTECT IP Act ist die Möglichkeit Domains sperren zu lassen. Dies kann schnell auch ausländische Unternehmen und Seitenbetreiber betreffen, wenn es sich bspw. um .com Endungen handelt, die aus den USA heraus verwaltet werden oder auch amerikanische Rechteinhaber betroffen sind. Selbst Finanzdienstleister können dazu gebracht werden Zahlungsverkehr zu den Seitenanbietern zu unterlassen oder das Werbevermarkter oder ggf. sogar einzelne Unternehmen mit haftbar gemacht werden können, wenn sie auf entsprechenden Seiten die gegen das Urheberrecht (IP=Intellectual Property) nach Ansicht der Rechteinhaber verstoßen, Werbung schalten. Eine gute Zusammenfassung der Probleme und vor allem die verfassungsrechtlichen Einschnitte die dieses Gesetz mit sich bringen würde, findet sich in einem offenen Brief von Jura-Professoren der unter anderem von Mark Lemley, Stanford Law School, initiiert wurde. Den Brief findet ihr hier und einen Artikel zur Veröffentlichung des Briefs gibt es auch.

Die Problembeschreibung aus dem Brief:

„The Act would allow the government to break the Internet addressing system. It requires Internet service providers, and operators of Internet name servers, to refuse to recognize Internet domains that a court considers “dedicated to infringing activities.” But rather than wait until a Web site is actually judged infringing before imposing the equivalent of an Internet death penalty, the Act would allow courts to order any Internet service provider to stop recognizing the site even on a temporary restraining order or preliminary injunction issued the same day the complaint is filed. Courts could issue such an order even if the owner of that domain name was never given notice that a case against it had been filed at all.

The Act goes still further. It requires credit card providers, advertisers, and search engines to refuse to deal with the owners of such sites. For example, search engines are required to “(i) remove or disable access to the Internet site associated with the domain name set forth in the court order; or (ii) not serve a hypertext link to such Internet site.” In the case of credit card companies and advertisers, they must stop doing business not only with sites the government has chosen to sue but any site that a private copyright or trademark owner claims is predominantly infringing. Giving this enormous new power not just to the government but to any copyright and trademark owner would not only disrupt the operations of the allegedly infringing web site without a final judgment of wrongdoing, but would make it extraordinarily difficult for advertisers and credit card companies to do business on the Internet.

Remarkably, the bill applies to domain names outside the United States, even if they are registered not in the .com but, say, the .uk or .fr domains. It even applies to sites that have no connection with the United States at all, so long as they allegedly “harm holders” of US intellectual property rights.“

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