Kampfdrohnen: Der Irrglaube vom sauberen Krieg

Ein kleines Mädchen soll Aufmerksamkeit erzeugen. Ihr Bild ist ungefähr 20 Mal 8 Meter groß und liegt auf einem Feld in Pakistan. Zukünftig könnten es auch Drohnenpiloten aus Deutschland sehen. Denn der Bundeswehrverband fordert ganz offen Kampfdrohnen und auch Verteidigungsministerin von der Leyen spielt mit dem Gedanken, sie für die Bundeswehr zu beschaffen. Das Bild des jungen Mädchens, das ihre Eltern und zwei Geschwister bei einem Drohnenangriff verloren hat, ist Teil einer Kampagne, die auf den Drohnenkrieg hinweisen und wachrütteln soll – auch die Menschen in Deutschland. Am Montag soll die gesellschaftliche Debatte in Deutschland durch eine öffentliche Anhörung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages innerhalb von vier Stunden abgehandelt werden, der Titel: „Völker-, verfassungsrechtliche sowie ethische und sicherheitspolitische Fragen im Zusammenhang mit unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitere Kampffähigkeiten haben“.

Schon heute fliegen Drohnen, oder wie es korrekt heißt: unbemannte Luftfahrzeuge, über unsere Köpfe, ob in 20 oder 15.000 Metern Höhe oder gar in sicherer Entfernung in anderen Ländern. Drohnen sind also längst keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Die Ausführungen sind dabei sehr unterschiedlich: Vom 350 Euro teuren Quadrocopter aus dem Versandkatalog bis zur millionenteuren Kampfdrohne für das Militär. In vielen Ländern sind ihre Einsatzmöglichkeiten und -realitäten vergleichsweise harmlos, Schaden richten sie dennoch an: Sie verletzen unsere Privatsphäre durch Foto- und Videoaufnahmen, sie kollidieren mit anderen Drohnen oder sie stürzen ab und verletzen Menschen. Die Washington Post berichtete jüngst von über 400 größeren Drohnen der US-Armee, die seit 2001 abgestürzt sind. Darunter eine 170-Kilo schwere Armeedrohne, die nahe einem Schulhof im US-Bundesstaat Pennsylvania niederging.

In einigen Ländern bedeuten Drohnen jedoch den sicheren Tod, so etwa im Jemen, in Somalia, in Pakistan oder Afghanistan, wo die USA mit Unterstützung Großbritanniens ihren Drohnenkrieg führen. Hunderte Kinder sind in den letzten zehn Jahren bei Drohnenangriffen alleine in Pakistan gestorben. Tausende Menschen sind es mittlerweile weltweit, darunter viele unschuldige ZivilistInnen. Die genauen Opferzahlen sind ein wohlgehütetes Geheimnis. Die US-amerikanische Rechtsprofessorin Mary Ellen O’Connell hat schon vor über einem Jahr klargestellt: gezielte Tötungen mittels Drohnen sind außerhalb von Kriegsgebieten völkerrechtswidrig. Doch die Bundesregierung hat diesen Krieg, der gegen das Völkerrecht verstößt mit Informationen über Zielpersonen unterstützt. Mutmaßlich wird der Drohnenkrieg sogar von US-Stützpunkten auf deutschem Staatsgebiet aus geplant oder durchgeführt. Gegenüber der US-Regierung hat die Bundesregierung dies aber nie zur Sprache gebracht. Das ist unverantwortlich, zumal die Bundesregierung offiziell extralegale Tötungen verurteilt. Stattdessen möchte die Bundesregierung nun aller Wahrscheinlichkeit nach amerikanische Drohnen kaufen, nicht gleich bewaffnete, aber waffenfähige.

Die Vorstellung, dass Maschinen statt Menschen in den Krieg gehen, in abgelegene Regionen vorstoßen, riskante Einsätze vornehmen, ist alt. Dutzende Filme, etliche Bücher und zahlreiche politische Reden behandeln diese Idee. Doch Krieg ist immer verbunden mit Fehlentscheidungen, menschlichem wie technischem Versagen, Unwägbarkeiten und Risiken. Die traurige Bilanz der amerikanischen Drohneneinsätze belegt dies auf tragische Weise. Denn der Abschuss per Knopfdruck vor dem Bildschirm macht die Entscheidung surrealer und damit einfacher. Das Gleiche gilt für Abgeordnete, es ist ein Unterschied ob man Soldaten oder Technik in den Krieg ziehen lässt. So sinkt die Hemmschwelle zum Einsatz bewaffneter Gewalt und die berechtigte Zurückhaltung bei politischen Entscheidungen über Militäreinsätze wird beeinträchtigt.

Hinzu kommt die rasante technische Entwicklung in diesem Bereich. Autonom handelnde Drohnen im Kampfeinsatz, die ohne expliziten Befehl lediglich auf Basis ihrer Programmierung und eigenständig analysierter Informationen ihr Ziel suchen und unter Beschuss nehmen, sind vielleicht noch Zukunftsmusik, aber wie lange noch? Die Forschung an der Grundlagentechnik für solche autonomen Kampfsysteme findet fieberhaft und mit hohem Geldeinsatz statt. Viele der notwendigen Daten sind schon heute vorhanden. Der ehemalige NSA und CIA Chef Michael Hayden gab erst jüngst bekannt, das bereits heute auf Basis gesammelter Telekommunikations-Metadaten Tötungen durchgeführt werden. Der Sprung zwischen Auswertung von Daten und autonomer Zielerfassung ist nicht mehr weit. Schon heute können Drohnen Kommunikation abhören, Standorte von Mobiltelefonen ausfindig machen, hochauflösende Fotoaufnahmen machen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Drohnen diese Daten selber auswerten und ihrem Operator potentielle Ziele vorschlagen. Vielleicht reichen zukünftig nur bestimmte Schlagworte in einem abgehörten Telefonat, eine auffällige Handynummer oder eine Stimme, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit einem veröffentlichten Video einer als terroristisch deklarierten Vereinigung zuzuordnen lassen. In der Logik von Militärs und Geheimdiensten ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Entscheidung über das zu tötende Ziel an einen Computer delegiert wird. Und selbst wenn der Einsatz solcher autonomen Kampfsysteme für die Zukunft kategorisch ausgeschlossen werden sollte, würden von Menschen gesteuerte Kampfdrohnen die Bundeswehr noch stärker als Offensivarmee prägen, da Operationen im Ausland scheinbar effizienter und mit weniger Risiko durchgeführt werden könnten.

Als Grüner ist für mich klar, keine waffenfähigen Drohnen für die Bundeswehr. Kampfdrohnen, die computerkontrolliert und autonom Entscheidungen über Angriffsziele treffen können sind zu ächten und gehören verboten. Die Hoffnung eines „sauberen und chirurgischen Krieges“ und die kolportierte „ethische Neutralität von Waffen“ gibt es einfach nicht. Durch Kampfdrohnen wurden in den letzten Jahren vor allem durch die US-amerikanischen Streitkräfte und Geheimdienste viele tausende Unbeteiligte getötet. Auch und gerade für die Bundeswehr müssen neben sicherheitspolitischen Argumenten auch völker- und verfassungsrechtliche wie auch ethische Grundsätze gelten. Daher sollte gelten: Nicht alles, was technisch machbar und einsatzfähig ist, muss angeschafft und verwendet werden. 

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  1. h s

    „Kampfdrohnen, die computerkontrolliert und autonom Entscheidungen über Angriffsziele treffen können sind zu ächten und gehören verboten.“ – dem kann ich nur zustimmen. Man sollte diese Position mE nicht durch eine pauschale Diskussion ueber unbemannte Fluggeraete verwaessern.

    Meines Erachtens sind ferngesteuerte bewaffnete Drohnen nichts prinzipiell anderes als bemannte Fluggeraete. Wir* haben in Afghanistan mit Schuetzenpanzern und schwerer Artillerie gekaempft, wir haben Luftunterstuetzung angefordert und einsetzen lassen. Wenn wir die Bundeswehr in solche Kampfeinsaetze schicken, sollten wir sie entsprechend ausstatten. Wenn wir den Einsatz der Waffen nicht entsprechend kontrollieren koennen, haben wir ein ganz anderes Problem als den speziellen Waffentyp und sollten diese Diskussion fuehren.

    * die Bundeswehr als Parlamentsarmee im Auftrag des deutschen Volkes, und dieses Volk hat wieder eine entsprechende Parlamentsmehrheit gewaehlt